Detailkonzept des Anne-Frank-Hauses


Vorbemerkung Die internationale Wanderausstellung Anne Frank, eine Geschichte für heute möchte Besucherinnen und Besucher zu einer Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Konzepten wie Toleranz, Menschenrechte und Demokratie für uns heute anregen.

Sie tut dies, indem sie die Lebensgeschichte Anne Franks aus der Perspektive der Familie Frank erzählt und andere Zeitzeugen ein Bild der Geschichte des Holocausts skizzieren läßt. Die Ausstellung beinhaltet viele Elemente, die die Besucher herausfordern, über Parallelen und Unterschiede zwischen Ereignissen von gestern und heute nachzudenken.

Ein pädagogisches Projekt Die Ausstellung ist eine selbstständige Einheit ­ aber sie ist auch Teil eines pädagogischen Angebotes in Form von zusätzlichem schriftlichen und audiovisuellen Material, wie auch Schulungen für unter anderem Lehrer/innen. All dies ist konzipiert als Kern eines größeren, lokalen oder regionalen Projektes zum Thema.
Eine neue Ausstellung Die Vorgängerin dieser Ausstellung wurde in der Periode 1985­1995 von über 5,8 Millionen Menschen in mehr als 550 Städten in 23 Ländern besucht. Diese internationalen Erfahrungen sind in das Konzept der neuen Ausstellung eingearbeitet worden, so daß etwas Neues nach Inhalt, Form und didaktischem Konzept entstanden ist.
Ausstellungserprobung Eine vorläufige Version der Ausstellung wurde im Juni 1996 einer begrenzten Öffentlichkeit im Rahmen eines Forschungsprojektes vorgestellt. In Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln wurden die Reaktionen der Besucher/innen aus allen Altersstufen gesammelt und ausgewertet und so wertvolle Hinweise für Veränderungen an der Ausstellung gewonnen. Diese Veränderungen werden bis zum September 1996 umgesetzt.
Ziele der Ausstellung In der Ausstellung möchten wir:
  • Besucherinnen über die Geschichte des Holocaust aus der Sicht Anne Franks und ihrer Familie informieren
  • Besuchern zeigen, daß es in jeder Gesellschaft Unterschiede zwischen Menschen gibt (kulturelle, ethnische, religiöse, politische, etc.). Jeder Versuch, Gesellschaften aufgrund der Idee einer reinen" Rasse, Religion, ethnischen Gruppe, etc. zu (re)organisieren, führt unweigerlich zu Säuberungen": Menschen (Minderheiten), die nicht zum Idealbild passen, werden diskriminiert, ausgeschlossen, verfolgt und manchmal sogar ermordet.
  • Besucherinnen herausfordern, sich mit den Konzepten von Toleranz, gegenseitigem Respekt, Menschenrechten, Demokratie und ihrer Bedeutung für uns auseinanderzusetzen.
  • Besucher überzeugen, daß eine Gesellschaft, in der Unterschiede zwischen Menschen respektiert werden nicht von alleine entsteht. Neben Gesetzen (und deren Durchsetzung) ist der Einsatz jedes Einzelnen innerhalb seiner oder ihrer Möglichkeiten nötig.

Inhaltlicher Aufbau der Ausstellung Die Lebensgeschichte Anne Franks zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Im Lebensweg der Familie Frank spiegeln sich die Ereignisse in der Welt vor, während und nach der Nazi-Diktatur. In der Ausstellung stellen wir Photos der Franks den historischen Ereignissen gegenüber und zeigen so die konkreten Auswirkungen der Ereignisse, der politischen Entscheidungen und des Verhaltens Einzelner auf Menschen, die wie die Franks diskriminiert und verfolgt wurden.

In den fünf Modulen der Ausstellung zeigen wir verschiedene Abschnitte in der Lebensgeschichte Anne Franks. Diesen Abschnitten haben wir Themen zugeordnet, die damals wie heute Relevanz haben und die wir mit Hilfe von einzelnen Porträts vertiefen.

Eröffnungspaneel Mit seiner großen Verbreitung ist das Tagebuch der Anne Frank auch immer wieder unterschiedliche gedeutet und eingeschätzt worden. Viele Menschen lesen das Tagebuch und sehen Anne als Symbol für das Leiden von Millionen, die nur schwer vorstellbar sind, andere wiederum sehen in Anne vor allem die Schriftstellerin, wieder andere fühlen sich durch die Gedanken und Ideen im Tagebuch gestärkt. Durch eine Vorstellung dieser unterschiedlichen Sichtweisen wollen wir den Ausgangspunkt aufnehmen, mit dem vielen Menschen in die Ausstellung kommen - die Lektüre des Tagebuches, vielleicht noch gar nicht einmal so lange zurück, im Kopf, ein Interesse an weitergehenden Eindrücken von diesem Mädchen.
Periode I: 1929-1933 Anne Frank wird am 12. Juni 1929 geboren - in das Deutschland der Zwanziger Jahre, geprägt von den sich vergrößernden Gegensätzen zwischen den politischen Lagern, ganz unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise. Von den Nazis wird der Glaube an die besondere Mission des Deutschen Volkes propagiert, Juden und andere Minderheiten müssen als Sündenböcke für die desolate Lage herhalten. Viele Menschen flüchten sich so in nationalistische Überheblichkeit und Unterdrückung.

Die Familie Frank nimmt diese Veränderungen wahr - doch trotzdem verlebt Anne glückliche erste Kinderjahre. Photos aus dieser Zeit bezeugen das "normale" Familienleben der Franks in Frankfurt am Main.

Den ersten Jahren Anne Franks und den historischen Ereignissen stellen wir ein Portrait gegenüber: Otto Treumann, ein jüdisch-deutscher Junge, der in Nürnberg aufwuchs und den Aufstieg der Nazis, den wachsenden Nationalismus aus seiner Sicht kommentiert.

Periode II: 1933-1939 1933 beschließt Otto Frank mit seiner Familie, in die Niederlande auszuwandern. In Amsterdam bietet sich die Chance, sich eine neue, wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Geängstigt durch die Regierungsübernahme der Nazis nach dem 30. Januar 1933 ist die Emigration in die Niederlande auch der Versuch, sich vor der schnell einsetzenden Verfolgung und weitergehenden Diskriminierung in Sicherheit zu bringen. Und während in Deutschland so die Ausgrenzung von Juden und anderen Minderheiten immer unmenschlichere Züge annimmt, die schließlichen einen ihrer Tiefpunkte in der Reichspogromnacht von 1938 findet, ist es in Amsterdam noch erst einmal sicher für die Familie Frank. Anne kann weitere unbeschwerte Kindheitsjahre verbringen, die sie auch in ihrem Tagebuch beschreibt.

Wieder stellen wir diesem Lebensabschnitt Anne Frank ein Porträt gegenüber: Hans Massaquoi, 1926 als Sohn einer deutschen Mutter und eine liberianischen Vaters geboren, berichtet über die Zeit zwischen 1933 und 1938, über die wahnwitzige "Rassenlehre" der Nazis und ihrem Bestreben nach "Säuberung der arischen Rassen", über die nur allzu deutlichen Drohungen gegenüber allen Minderheiten.

Periode III: 1939-1942 Am 1. September 1939 beginnt mit dem deutschen Einfall in Polen der Zweite Weltkrieg - ein Datum, von dem die Familie Frank in den Niederlanden zwar mit Sorgen hört, das aber noch keine direkte Konsequenzen für sie und andere Flüchtlinge in Westeuropa hat. Erst mit dem Angriff der Wehrmacht auf die Niederlande im Mai 1940 ändert sich die Situation gravierend; eine Flucht - schon vor diesem Zeitpunkt schwer genug - ist jetzt so gut wie unmöglich geworden. Überall in Westeuropa beginnen die Nazis ihre Ausgrenzungspolitik gegenüber Juden und anderen Minderheiten. Doch es bleibt nicht dabei, vielmehr ist die Isolierung der Juden nur der erste Schritt, schließlich nehmen die Deportationen und die planmäßige Ermordung immer weiter zu.

Margot Frank ist die erste aus der Familie Frank, die im Juli 1942 einen Aufruf erhält, sich "für einen eventuellen Arbeitseinsatz im Ausland" zu melden. Für die ganze Familie ist dieser Aufruf der letztendliche Anlaß, schon einen Monat früher als geplant unterzutauchen im Hinterhaus der Betriebsgebäude von Otto Franks ehemaliger Firma.

In einem Porträt, das in diesem Teil die historischen Ereignisse von 1939 bis 1942 kommentiert, stellen wir Miep Gies vor, Otto Franks Sekretärin. Ohne Miep und die anderen Helfer wäre ein Untertauchen für alle Bewohner des Hinterhauses nicht möglich gewesen. Miep Gies ist immer wieder als Heldin bezeichnet worden, doch sie betont, daß man, um zu helfen, keine Heldin sein muß.

Periode IV: 1942-1945 Von 1942 bis 1944 leben acht Menschen - neben der Familie Frank noch das Ehepaar van Pels mit ihrem Sohn Peter und der Zahnarzt Dr. Pfeffer - untergetaucht im Hinterhaus der Prinsengracht 263. In der Ausstellung versuchen wir hier die Atmosphäre in Annes Zimmer nachzuempfinden, die Enge und das belastende schummrige Licht. Zitate aus Annes Tagebuch ergänzen die Eindrücke von der Untertauchzeit.

Im August 1944 werden die Untergetauchten verraten und sofort abgeholt, später nach Westerbork und Auschwitz deportiert. Zeitzeugen ergänzen die Eindrücke von der Familie Frank mit ihren Berichten über die Unmöglichkeit, den Deportationen zu entgehen, über das Schicksal von Sinti und Roma, über die fabrikmäßige Ermordung der Juden in den Vernichtungslagern und über das, was die Befreier der Lager dort antrafen.

Bis auf Otto Frank sterben alle Untertaucher aus dem Hinterhaus in verschiedenen Vernichtungslagern.

Periode V: 1945-heute Nach der Befreiung Europas von den Nazis herrscht vielerorts Aufbruchstimmung. Doch neben der Freude über das Ende des Krieges und der Verfolgung gibt es auch viel Leiden: Die Hoffnungen vieler Menschen, ihre Verwandten lebend wiederzusehen, wird enttäuscht. In den ersten Jahren nach dem Krieg gibt es dazu noch nur wenig Aufmerksamkeit für das Leiden der Juden, man will das Zurückliegende in vielen Ländern so schnell wie möglich vergessen.

Miep Gies, die Annes Tagebuch im Hinterhaus gefunden hatte, überreicht es Otto Frank, nachdem deutlich war, daß auch Anne gestorben war. Otto Frank kann sich schließlich dazu durchringen, das Tagebuch zu veröffentlichen. Viele Menschen verbinden seitdem die Verfolgung der Juden im Zweiten Weltkrieg mit dem Tagebuch Anne Franks.

Didaktisches Konzept Persönliche Geschichten

Die Lebensgeschichte Anne Franks steht in der Ausstellung im Mittelpunkt, aber auch andere Menschen kommen zu Wort. Ihre Erfahrungen, ihre Geschichten formen immer die Einleitung zu eher faktischen Informationen. Geschichte bekommt durch die persönlichen Erfahrungen Einzelner eine extra Dimension. Wer sich in andere Individuen hineinversetzt, in ihre Erfahrungen und Gefühle, für den bekommen Fakten und Geschehnisse ein menschliches Maß und werden besser vorstellbar.

Fragen

Das Stellen einer guten Frage ist besser als das Geben einer Antwort.

Nicht alle Informationen auf einmal

Eine eilige Besucherin kann durch das Aufnehmen der zentralen Photos und Haupttexte ein gutes Bild von den zentralen Aussagen der Ausstellung bekommen. Mit mehr Zeit lassen sich auf den Paneelen weitere Informationen finden. In den 3­dimensionalen Elementen sind schließlich für sehr Interessierte Hintergründe aufbereitet.

Neugierig Machen

Die Gestaltung der Ausstellung zielt darauf ab, Besucherinnen neugierig zu machen. In der Ausstellung werden Informationen auf sehr verschiedene Arten angeboten. Oft bedarf es einer Aktivität des Besuchers, um bestimmte Informationen aufzurufen.

Bücherstand

Am Ende der Ausstellung werden an einem Bücherstand Materialien für Besucher/innen angeboten, die neugierig geworden sind und zu Hause das Thema vertiefen möchten. Diese Materialien umfassen einen Katalog zur Ausstellung, eine Ausstellungszeitung, in der unter anderem die Themen weiter vertieft werden und ein Videoband, auf dem einige Menschen, die auch in der Ausstellung vorkommen, Weiteres erzählen (u.a. Otto Frank und Miep Gies).

Pädagogisches Projekt Parallel zur Ausstellung wird ein pädagogisches Angebot entwickelt:
  • Eine Schulungseinheit für Begleiter, die Besuchergruppen (meistens Schüler/innen) ein Programm mit der Ausstellung anbieten
  • Pädagogisches Material, das die Begleiterinnen bei ihrer Arbeit unterstützt
  • Eine Schulungseinheit für Lehrer/innen, die mit ihren Schüler/innen die Ausstellung besuchen möchten und davor oder danach in der Schule an den Themen arbeiten möchten
  • Pädagogisches Material, das Lehrer/innen hierzu gebrauchen können.
Der Ausstellungsentwurf Grundeinheit der Ausstellung sind die Paneele oder Ausstellungstafeln, auf denen die Texte und Photos gedruckt sind. In einem Element der Ausstellung sind zwei Paneele, je eines auf Vorder- und Rückseite, befestigt. Die Elemente selbst sind etwa 30 cm tiefe Quader, um im entstehenden Zwischenraum zum Beispiel Schaukästen unterzubringen, die durch Aussparungen in den Paneelen betrachtet werden können. Jedes Element hat ein Ober­ und Unterteil, letzteres dient während des Transportes als Verpackung für das Oberteil. Beide Teile sind durch ihre Gestaltung zu unterscheiden; während im unteren Elementteil nur ein großes Photos aufgedruckt ist, ist im oberen Teil die eigentliche Ausstellungstafel mit den inhaltlichen Informationen untergebracht. Die Vorder­ und Hintertafeln sind semi­permanent angebracht, um neue Sprachversionen relativ umstandslos erstellen zu können.

Je mindestens drei der Elemente sind, im Kreis aufgestellt, durch Dachkonstruktionen miteinander verbunden und formen insgesamt fünf Pavillons oder Module. Durch diese Anordnung entsteht ein sogenannter Innenring und ein sogenannter Außenring der Paneele, die vom Kreisinneren bzw -äußeren lesbar sind (siehe Grundriß der Ausstellung, die Dachkonstruktion läßt im Innenring eine intime Atmosphäre entstehen.

Die Paneele im Innenring der Ausstellung zeigen jeweils die historischen Ereignisse anhand der Lebensgeschichte Anne Franks. Im Außenring greifen Porträts die jeweiligen Themen des Moduls auf. Dieser Unterschied findet sich auch im Entwurf der Paneele wieder. Auf den Paneelen des Innenrings dominiert in den zwei oberen Dritteln die Geschichte der Familie Frank, während im unteren Drittel eine Art historische Zeitleiste entlangläuft, die die jeweils wichtigen Ereignisse darstellt, die das Leben der Familie Frank beeinflußten.

Die Paneele des Außenrings werden bestimmt von einem großen Foto des jeweils Porträtierten, ergänzt von einigen kleineren Photos, die die Aussage illustrieren. Auf allen Paneelen sind die Informationen in verschiedenen Textlagen untergebracht. Zitate und zwei kurze Haupttexte bilden in großer Schrift das Kernstück. Ergänzende und weiterführende Informationen finden sich in kleinerer Schrift unter den Photos bzw. in den Schaukästen.

Vom Kreisinneren aus sieht man auf den Dachkonstruktionen die sogenannten "Ankerphotos" - Photos, die den roten Faden der Ausstellung weiterführen und an denen sich eine Begleitung gut orientieren kann. Vom Kreisäußeren gesehen sind die Dachkonstruktionen mit einem Faksimile der Handschrift von Anne Frank bedruckt.

Technische Daten Raumfläche: 20m x 14m
Raumhöhe: optimal sind 3,8m; minimal jedoch 2,4m
16 Elemente,
jeweils Höhe: 2m (ohne Dachkonstruktion)
Höhe: 3,4m (mit Dachkonstruktion)
Breite: 1,4m
Tiefe: 0,4m
Gruppen: Die Elemente werden in Gruppen angeordnet.
Gruppe 1: 5 Elemente und 2 Dachkonstruktionen
Gruppe 2: 8 Elemente und 3 Dachkonstruktionen
Gruppe 3: 3 Elemente und 1 Dachkonstruktion
Beleuchtung: Die Ausstellung hat ein eigenes Beleuchtungssystem; etwas dunklere Räume sind daher gut für die Ausstellung geeignet.

Elektrizität: Zwei getrennte Steckdosen, bei 220 Volt muß jede mit 16 Ampere abgesichert sein. Kabelsystem ist in die Ausstellung integriert.

Verpackung: Die unteren Teile der Elemente formen die Hülle für die oberen Teile. Die restliche Verpackung wird soweit möglich in den unteren Teilen aufbewahrt; restliche Kisten dienen z.B. als Sitzgelegenheiten oder Teil des Materialstandes.

Auf­ & Abbau: Benötigtes Werkzeug liegt der Ausstellung bei. 3 Menschen benötigen etwa 4 Stunden für den Auf­ bzw. Abbau der Ausstellung.

AV­Material: In die Ausstellung wird wegen der hohen Störanfälligkeit kein Video­ oder Computersystem eingebaut. Videofilme sind zum Zeigen in getrennten Räumen Bestandteil der Ausstellung.
Anne Frank Haus Amsterdam

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