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Der Anfang Österreich beging 1988 das "Bedenkjahr", in welchem eine Aufarbeitung der Geschehnisse der Jahre 1938 bis 1945 angestrebt wurde. Vor 50 Jahren wurden Minderheiten erst diskriminiert, dann physisch eliminiert. Juden, "Zigeuner", Homosexuelle, Behinderte, politisch Andersdenkende und andere Minderheiten verschwanden in Konzentrationslagern und Gaskammern. Heute sind Ängste vor Diskriminierung bzw. Verfolgung, wie der Bombenterror am 4. Februar 1995 bewies, wieder mehr als berechtigt. 1988 begann Michael Oertl (Innsbruck), angeregt durch persönliche Erfahrungen und Freundschaften mit Angehörigen von Minderheiten sowie durch Eindrücke, die er im Bedenkjahr 1988 gesammelt hatte, die Idee im Bekanntenkreis zu verbreiten: Ein "Österreichisches Jahr der Minderheiten 1994" sollte nach dem Vorbild international ausgerufener Jahre zu einer Konzentration und damit Verstärkung von Aktivitäten im Bereich Minderheiten führen. Die Gründung der Initiative und der Aufbau eines Konzeptes erfolgten "von unten" her, im Zusammenwirken von Minderheits- und Mehrheitsangehörigen. Der Begriff DIE INITIATIVE MINDERHEITEN ... ... ist eine Organisation - rechtlich gesehen ein Verein, politisch gesehen eine Plattform für Minderheiten und Mehrheit - mit dem Ziel, das Zusammenleben von Mehrheiten und Minderheiten in Österreich zu verbessern und die gesellschaftspolitische Position der Minderheiten zu stärken. Der Impuls für die Gründung war die Vorbereitung eines "Österreichischen Jahres der Minderheiten", das 1994 stattfand. Danach setzte die Initiative Minderheiten ihre Arbeit aufgrund der gewonnenen Erfahrungen auf einer breiteren Basis fort. Die Strategien zur Erreichung des Zieles sind vielfältig. Die Initiative Minderheiten unterstützt Kooperationen verschiedener Minderheiten untereinander und fördert die Zusammenarbeit von Minderheiten und Mehrheiten. Die Definition des Begriffes Minderheit blendet die Unterschiede, die verschiedenen Anliegen, Probleme und Bedürfnisse der einzelnen Gruppen nicht aus. Gemeinsame Strategien werden entwickelt, um der Benachteiligung in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Dabei orientiert sich die Initiative Minderheiten grundsätzlich an der Wahrung der Menschenrechte und der Menschenwürde. Innerhalb der Minderheiten ist die Vernetzung ein großes Anliegen. Dies geschieht durch die Zeitschrift "STIMME von und für Minderheiten", die Weitergabe von Informationen, Veranstaltungen, Beratungstätigkeit, Publikationen von Grundlagenwerten und politische Arbeit. Angestrebt wird die Bildung temporärer "minoritärer Allianzen" zur Durchsetzung gemeinsamer Ziele. Neben der Vernetzungstätigkeit innerhalb der Minderheiten wird versucht, gemeinsame Aktivitäten von Minderheiten und Mehrheiten anzuregen und durch Information, Öffentlichkeitsarbeit und kulturelle Tätigkeit Vorurteile abzubauen. Die Minderheiten sollen vom Rand der Gesellschaft ins Zentrum gerückt und die Interessen der Minderheiten politisch gestärkt werden. So ist die Initiative Minderheiten kein Dachverband der Minderheiten, sondern eine offene Plattform. Der Vorstand setzt sich aus Angehörigen der Minderheiten und Mehrheiten zusammen. DAS MINDERHEITENJAHR 1994 ... wurde von der IMJ im Jänner 1994 mit einer "TRAMWAYFAHRT AM RING" offiziell eröffnet. Drei Tage lang umrundete eine historische Straßenbahngarnitur die Wiener Ringstraße; PolitikerInnen und VertreterInnen von Minderheiten fuhren mit, gaben Fahrgästen Auskunft und der Presse Interviews. Im März und April führte die vom Verein Romano Centro unter Mithilfe der IMJ in Wien durchgeführte Veranstaltungsreihe "ROMA - MYTHOS UND WIRKLICHKEIT" zu österreichweiter Publizität auch für das Minderheitenjahr. Am 1. Juli fand in Wien eine von der IMJ initiierte KUNDGEBUNG gegen die österreichischen Ausländergesetze statt, der sich über 60 Organisationen angeschlossen hatten. Im gleichen Zeitraum organisierte die IMJ in Tirol eine Serie von modellhaften Regionalveranstaltungen (öffentliche Präsentationen von Minderheiten, Schulprojekt, Minderheitengottesdienst, Literaturabende, Filmtage, Einwanderungssymposium, Minderheiten-Bazar, Vernetzungs-Treffen). In den Bundesländern Salzburg und Oberösterreich wurden von IMJ-Kontaktstellen Filmwochen und Diskussionsveranstaltungen abgehalten. Kontinuierlich fungieren die beiden Büros in Wien und Innsbruck als Informations- und Vernetzungsstellen. Die Wanderausstellung zum Thema "AM ANFANG WAR DER KOLARIC - Plakate gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus aus 3 Jahrzehnten" wurde zusammengestellt und im November mit einer medienwirksamen Veranstaltung im Parlament eröffnet. Vom 8. bis 10. Dezember 1994 fand im Wiener Don Bosco Haus die erste "TAGUNG DER MINDERHEITEN" statt. Über 100 Personen, großteils VertreterInnen von Minderheiten, nahmen an der Tagung teil. Der Abbau von Berührungsängsten sowie der Austausch von Wissen, spezifischen Interessen und Forderungen zwischen einzelnen, sowohl ethnischen als auch sozialen, Minderheiten stand im Mittelpunkt. Die TagungsteilnehmerInnen waren sich am Ende der Veranstaltung darüber einig, daß alle Minderheiten, seien es ethnische, religiöse, soziale oder sogenannte "neue" Minderheiten, ähnlichen Diskriminierungsmustern ausgesetzt sind. Der deutlich artikulierte Wunsch nach Überwindung der Isolation von Minderheitengruppen und nach der Bildung einer minoritären Allianz konnte als Ergebnis der Tagung gesehen werden. 1995 Die Initiative Minderheiten war an der Gestaltung des von der UNO ausgerufenen JAHRES DER TOLERANZ beteiligt. Am 3. Juli 1995 wurde in der Österreichischen Nationalbibliothek das von der Initiative Minderheiten herausgegebenes Buch über österreichische Volksgruppen, "6 X ÖSTERREICH" (erschienen in der neugegründeten EDITION MINDERHEITEN/Drava Verlag), präsentiert. 1996 Die Arbeiten für die zweite, aktualisierte und erweiterte Auflage des Handbuches "WEGE ZU MINDERHEITEN IN ÖSTERREICH" laufen auf Hochtouren; das Buch wird voraussichtlich im Dezember 1996 erscheinen. Das vom Innsbrucker Büro konzipierte und durchgeführte Projekt "LITERATUR DER WELT IM UNTERRICHT" wird von der EU im Rahmen des Programms Sokrates/Comenius Aktion 2 gefördert. Erste Ergebnisse liegen bereits vor und können über das Innsbrucker Büro angefordert werden. Das "Internationale & interkulturelle Theaterfestival" (in Kooperation mit ARCHE und dem Ensemble Theater) wurde vom 16. bis zum 28. September in Wien durchgeführt; vier internationale und nationale Theatergruppen präsentierten ihre Produktionen zum Thema Ausgrenzung. Die vom Anne Frank Haus in Amsterdam zusammengestellte Ausstellung "Anne Frank - Eine Geschichte für heute" wurde in Kooperation mit ARCHE und dem Historischen Museum der Stadt Wien nach Österreich geholt und erlebte in der Volkshalle des Wiener Rathauses ihre Weltpremiere. Das Rahmenprogramm erstreckte sich über vier Wochen mit über 50 Einzelverantstaltungen. In Kooperation mit dem Jugendbildungszentrum Ottakring wurde eine Gala für die Jugend unter dem Titel "Europa: Bunt wie die Welt" durchgeführt. Zahlreiche Musik- und Tanzgruppen traten auf, prominente PolitikerInnen solidarisierten sich mit den Inhalten der Gala, nämlich Bildungs- und Qualifikationsprogramme für jugendliche MigrantInnen und Volksgruppenangehörige verstärkt durchzuführen. Die "STIMME von und für Minderheiten" erscheint weiterhin in 4 Nummern jährlich.
INITIATIVE
MINDERHEITEN INITIATIVE MINDERHEITEN © Initiative Minderheiten. 1. Auflage: September 1995 Redaktion dieser Ausgabe: Hikmet Kayahan |
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